Digitale Zeichenprogramme sind nicht nur Mittel zum Zweck, um Ideen in Zeichnungen zu überführen. Sobald man einräumt, dass sie darüberhinaus auch den Entwurfsprozess selbst beeinflussen können, lohnt es sich einmal genauer zu erforschen, wie die unterschiedlichen Programme operieren. Ein Softwarepaket, das sich zunehmender internationaler Beliebtheit erfreut, ist die Kombination von Rhino und Grasshopper der Firma Robert McNeel & Associates. Dieses Zweigespann ist besonders als entwurfsbegleitendes Werkzeug gefragt, also in Phasen, in denen sich schnell vieles am Entwurf verändert und stark experimentiert wird. Dem Workflow in Rhino wird nachgesagt, es eigne sich gut um auf solche Veränderungen flexibel reagieren zu können.

CAD, Parametrik und BIM

Es gibt unterschiedliche Konzepte zur Modellierung digitaler Geometrie. Computer-Aided Design (CAD) Programme, in denen zweidimensional am Computer Pläne gezeichnet werden können, sind in der Architekturbranche längst weit verbreitet. Diese haben in der Regel auch Funktionen um dreidimensional zu zeichnen, jedoch gibt es Programme, die hierauf speziell ausgerichtet sind. Hierzu gehört Rhino.

Seit einiger Zeit wird ein weiteres Konzept immer beliebter; in aller Munde ist das sogenannte parametrische Modellieren. Sein grundlegendes Prinzip ist, dass die Geometrie nicht gezeichnet, sondern durch einen Algorithmus definiert wird. Man legt geometrische Abhängigkeiten fest und automatisiert Modellierprozesse, sodass künftige Änderungen einer Geometrie zur automatischen Anpassung anderer Geometrien führen. In diese Kategorie fällt Grasshopper.

Darüberhinaus gibt es noch weitere Modellierkonzepte wie das Building Information Modelling (BIM), bei dem ein 3D Modell mit Informationen angereichert wird, die über die bloße Formgebung hinausgehen. Zeichnet man zum Beispiel eine Linie mit einem Wandmodul, entsteht automatisch nicht nur ein Volumen, es besitzt auch weitere Eigenschaften einer Wand. So erscheint der Körper in einem Grundriss automatisch mit der entsprechenden Schraffur und Wandaufbau. Der Nachteil an BIM ist der hohe Aufwand, um das Modell instandzuhalten. Der Informationsreichtum ist zwar sinnvoll in der späteren Planung, führt jedoch zu einer Inflexibilität, die eine Anwendung im Entwurfsstadium oft verhindert.

Mesh vs NURBS

Unter den 3D Programmen gibt es wiederum unterschiedliche Methoden um Geometrie zusammenzusetzen. Die zwei gängigsten sind das Polygonmodell und das NURBS Modell. Rhino ist in erster Linie ein NURBS Modellierer, verfügt jedoch über Funktionen zur Polygonmodellierung. Ein Polygonnetz, auch Mesh genannnt, besteht aus Punkten. Diese Punkte werden durch Linien verbunden, und aus diesen entstehen Flächen, in der Regel drei- oder viereckige, aus denen sich größere Formen zusammensetzen. Gekrümmte Formen brauchen eine entsprechend hohe Auflösung um nicht verpixelt zu erscheinen.

(i) Das NURBS Konzept

NURBS steht für Non-Uniform Rational Basic Spline. Diese kryptische Begriffsfolge bezeichnet ein mathematisches Konzept, um Geometrie zu definieren. Ihr Vorteil gegenüber den Meshmodellen ist, dass sie tatsächlich kontinuierlich gekrümmte Geometrie erzeugen kann, ohne sie in kleine planare Flächen aufzuspalten. Ein Schnitt durch eine gekrümmte NURBS Geometrie erzeugt eine gekurvte Schnittlinie, wohingegen beim diskretisierten Meshmodell eine Polylinie herauskommen würde.

Zwei unterschiedliche Wege um Geometrie zu definieren

Während die Manipulation eines Polygonnetzes über die Veränderung von einzelnen Knotenpunkten geschieht, kann ein NURBS Modell auf intuitiver Art durch die Verschiebung von Kontrollpunkten verändert werden, durch die eine gekurvte Geometrie interpoliert wird. Das NURBS Konzept beschreibt Geometrie genauer und eignet sich als Grundlage für viele Herstellungsverfahren, bei denen die Erzeugnisse exakt gefertigt werden müssen. Rhino wird daher branchenübergreifend nicht nur in der Architektur verwendet, sondern auch im Produkt- und Industriedesign.

(ii) Das Mesh Konzept

Das Meshkonzept hingegen wird zum Beispiel oft im Game- und Graphikdesign angewandt, wo die Modelle von vielen kleinen lokalen Details leben, die zu komplex währen, um sie alle als NURBS zu beschreiben. NURBS können nicht nur komplexe Formen schaffen, sondern auch Quader und ungekrümmte Flächen. Die einheitliche mathematische Sprache kann das komplette Formenrepertoir ausdrücken und führt so zu einer hohen Flexibilität in der Modellierung: Ein Quader kann mit einer komplexen, doppeltgekrümmten Schale verschnitten werden, nach demselben Prinzip mit dem eine simple Türöffnung aus einer geraden Wand ausgeschnitten wird. Rhino besitzt zudem eine logisch aufgebaute Benutzeroberfläche und eine konsistente, einheitliche Bedienung. Gegenüber den BIM Programmen ist es Rhino „egal“, ob man eine Form als Dach oder Wand definiert, was im Entwurfsstadium eine erhöhte Modellier Geschwindigkeit erlaubt.

Rhino und Grasshopper

Grasshopper ist ein Plugin für Rhino. Das heißt, es ist ein optionales Software Modul, daß die Hauptsoftware Rhinoceros um weitere Werkzeuge erweitert. Plugins können wir mit Hilfe einer aktuellen Analogie aus der Welt der Telefonie sehr leicht veranschaulichen. Plugins sind für ein Hauptprogramm das, was Apps für ein Smartphone sind. Apps erweitern die Funktionalität eines Smartphones, und Plugins erweitern entsprechend die Funktionalität eines Programms. Der Vorteil dieses Prinzips ist, dass jeder selbst bestimmt, welche Apps bzw. Plugins ins jeweilige Smartphone bzw. Programm kommen, und schafft somit eine Lösung für seine persönlichen Anforderungen. Für Rhino gab es seit der Veröffentlichung der ersten Version 1.0 nur eine Handvoll kostenpflichtiger Plugins. Bedingt durch die langjährige Neuprogrammierung von Rhino 4 auf die aktuelle Version 5 sind mehrere spannende Erweiterungen dazugekommen. Zugleich haufen sich kostenlose und überraschend nützliche Programme dazu. Die Platform food4rhino.com beherbergt einen wahren Schatz von kommerziellen und kostenlosen Erweiterungen für Rhino und Grasshopper und wird vom Hersteller Robert McNeel & Asssociates vertrieben.

Grasshopper ist eins von vielen Plugins für Rhino

Grasshopper ist das Plugin, welches das parametrische Modellieren in Rhino ermöglicht. Zu den zahlreichen anderen Plugins gehören zum Beispiel „Brazil“, mit dem photorealistische Renderings erzeugt werden können, sowie „Bongo“ zur Herstellung von Animationen oder „VisualARQ“, das sogar einige Funktionalitäten des BIM Konzepts in Rhino einbringt.

Ob eine parametrische Modellierung Sinn macht, hängt davon ab, wieviele Modellvarianten man vorhat zu generieren.

Grasshopper wird oft mit komplexer Freiformgeometrie in Verbindung gebracht. Dies liegt wohl daran, dass Veröffentlichungen von Projekten mit komplexer Geometrie oft auf den Modellierprozess eingehen, und hierbei dann oft Grasshopper erwähnen. Dabei ist es lediglich ein Programm, das sich eines anderen Konzepts der Geometriemodellierung bedient als sonst gängig ist. Beim parametrischen Modellieren benötigt man zwar in der Regel mehr Zeit um das Modell zu kreieren, danach können jedoch schnell Varianten erzeugt werden. Es muss also von Fall zu Fall abgewogen werden, welches Konzept sich eignet, um effizienter zu arbeiten. Dadurch, dass man in Grasshopper seine Geometrie als Algorithmus definiert, werden Modellierprozesse automatisiert. Somit kann auch komplexere Geometrie verändert werden, ohne sie jedes Mal manuell aufwendig neu bauen müssen. Die Erstellung der Geometriedefinition kann zwar anspruchsvoll sein, zwingt einen jedoch dazu, sich der Geometrie seines Entwurfs bewusster zu werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass man dabei spielerisch programmieren lernt, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Grasshoppers Benutzeroberfläche ist nach dem Prinzip des „visual scripting“ konzipiert, das zwar anfangs ungewohnt ist, mit etwas Übung jedoch logisch und überschaubar wird. Die Konzepte der Programmierung werden hierdurch wesentlich schneller erlernt als beim klassischen „textual scripting“.

Plugin für das Plugin

Programmieren ist eine Fähigkeit, die global und branchenübergreifend eingesetzt werden kann, um das Arbeitsleben zu erleichtern. Unabhängig von der Art der Aufgabe, die man dadurch bewältigt, gelten beim Programmieren universelle Konzepte. Grasshopper eröffnet hierdurch einen riesigen Möglichkeitsspielraum. Durch die Offenheit der Plattform und die rege Beteiligung der Community gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Plugins für Grasshopper, die aus der parametrischen Heransgehensweise Nutzen ziehen. Durch das Ausmaß dieser Entwicklung wird Grasshopper fester Bestandteil der nächsten Rhino Version 6.

Das Plugin Grasshopper kann selbst um andere Plugins erweitert werden.

Ladybug für Rhino

Nach der Installation eines Grasshopperplugins erweitert sich die Nutzeroberfläche um zusätzliche Komponenten. Diese werden nach derselben Logik wie die Standardkomponenten genutzt, beinhalten jedoch neue Funktionen. Ladybug ist ein kostenloses Plugin, mit dem Entwürfe hinsichtlich ihrer klimatischen Eigenschaften analysiert werden können. Wetterdaten, die unter anderem als .epw Dateien im Internet zu finden sind, können direkt in Ladybug verarbeitet werden, um zum Beispiel Sonnenverläufe, Winddaten und Sichtverhältnisse darzustellen. Das Tool verfügt über nutzerfreundliche Methoden zur Anpassung der Visualisierungen, und gibt dem Entwerfer die Möglichkeit, umweltbewusster zu entwerfen.

Analyse von Umwelteinflüssen in Ladybug

Karamba für Rhino

Karamba ist ein Plugin, das eine Brücke zwischen Architekten und Ingenieuren schlägt. Es ermöglicht, das Tragverhalten von Architekturentwürfen zu untersuchen und anschaulich darzustellen. Es nutzt dabei die Finite Elemente Methode (FEM), um die Reaktion von dreidimensionalen Stabwerken und Schalentragwerken auf unterschiedliche Lasten zu analysieren. Dies ersetzt zwar nicht den Bauingenieur, ermöglicht es aber dem Architekten, materialbewusster zu entwerfen. Es kann ein besseres Gefühl für die Auswirkungen von Entwurfsentscheidungen auf das Tragverhalten erlangt werden, und fördert somit eine bessere Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur.

Analyse des Tragverhaltens eines Stabwerks in Karamba

Zum Autor: Max Marschall hat 2016 sein Architekturdiplom an der Universität der Künste Berlin abgeschlossen. Er war Tutor im Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre (KET) und hat u.a. bei gmp architekten und Bollinger+Grohmann Ingenieure gearbeitet. Seine Spezialisierung im Computational Design führte zu seiner jetzigen Anstellung im Performance Base Design Team bei HENN Architekten.